Das Interview mit Hilde Malcomess erschien am 3. Oktober 2015 im General-Anzeiger Bonn. Die Fragen stellte Christine Siefer.
„Es ist wichtig, Fragen zu stellen“
Interview mit Redenschreiberin und Schlagfertigkeitstrainerin Hilde Malcomess
RHEIN-SIEG-KREIS. Sie ist Redenschreiberin, Rhetorik-Profi und Schlagfertigkeitstrainerin. Die ehemalige Kulturjournalistin Hilde Malcomess nutzt ihr Gespür für Sprache und ihre Menschenkenntnis, um das zu vermitteln, was oft schwerfällt: souverän gute Antworten parat zu haben. Am Montag startet an der Volkshochschule Rhein-Sieg wieder einer ihrer Kurse zum Thema Schlagfertigkeit. Im Interview mit Christine Siefer verrät sie ein paar Tricks.
Warum fällt einem die schlagfertige Antwort immer hinterher ein und nie in der Situation selbst?
Hilde Malcomess: Meistens, weil wir verblüfft und überrascht sind, von dem, was kommt. Zudem sind wir oft emotional berührt: verletzt, beleidigt, schockiert. Nehmen wir das Beispiel, jemand würde Ihnen sagen, dass Ihr Artikel langweilig sei. Wenn Sie wenig Selbstbewusstsein haben, dann werden Sie wahrscheinlich die Schuld bei sich suchen und sich rechtfertigen. Dann sagen Sie Sätze wie: ‚Wenn du wüsstest, unter welchen Bedingungen der Text entstanden ist, und da ist noch richtig viel rausgekommen!‘ Oder Sie werden sauer und sagen: ‚Na hör mal, mach‘ du es doch besser.‘ Beides führt nicht weiter.
Was ist das Erste, was ich bei Ihnen lerne, um dem entgegenzuwirken?
Malcomess: Es gibt natürlich keine K.o.-Technik, die immer funktioniert. Ich bin auch keine Freundin von Floskeln. Als Erstes vermittele ich, dass es wichtig ist, Fragen zu stellen. Zum Beispiel: „Was genau gefällt Dir denn nicht an dem Artikel?“ Im Zweifelsfall kommen dann nicht zehn Kritikpunkte, sondern nur einer. Und darüber kann man dann sprechen. Das ist etwas ganz anderes, als wenn jemand ihre ganze Kompetenz als Journalistin in frage stellt.
Und was mache ich, wenn ich auf meine Fragen keine sachliche Antwort bekomme, sondern erneut unspezifische Kritik?
Malcomess: Wenn jemand auf diese konkrete Frage keine Antwort hat, dann hat er sich doch selbst bloßgestellt. Dann kann ich sagen: ‚Denk doch noch einmal drüber nach, was Dir genau nicht gefallen hat und sag es mir später.‘ Nicht rechtfertigen, nicht entschuldigen, nicht angreifen, sondern den Ball abgeben, um auf eine sachliche Ebene zu kommen.
Wie wichtig ist Körpersprache dabei?
Malcomess: Körpersprache ist ganz wichtig. Oft werden Menschen, die Schutzlosigkeit signalisieren, häufiger angegriffen. Jemand, der gerne aussteilt, überlegt sich natürlich, bei wem sich das lohnt. Wir kennen alle solche Menschen, die gut nach unten austeilen können, aber wenn sie mit Gleichgesinnten konfrontiert sind, dann sind sie plötzlich ganz klein. Machen Sie sich klar: ‚Wer bin ich und was kann ich?‘ Dann wird Sie auch ein Vorwurf und Kritik nicht aus den Latschen hauen.
Oft entlarvt die Köpersprache, wenn die Hände nass werden, der Kopf rot oder die Stimme zittrig wird. Was kann ich dagegen tun?
Malcomess: Der erste Schritt ist, dass Sie Ihre Nervosität wahrnehmen. Solchen körperlichen Symptome können Sie mit Training entgegenwirken: Setzen Sie sich bewusst aufrecht hin, legen Sie die Hände auf die Stuhllehnen oder den Tisch. Sie dürfen ja innerlich unsicher sein, aber Sie müssen es dem Anderen ja nicht zeigen.
Also müssen schüchterne Menschen erst einmal selbstbewusst werden, bevor sie schlagfertig werden können?
Malcomess: Für diese Menschen ist es sicherlich eine größere Hürde. Genau deshalb arbeite ich aber auch stark mit sprachlichen Strategien, die wir trainieren können. Selbstbewusstsein muss über lange Zeit wachsen, das kann niemand in einem Dreitageskursus lernen.
Was gibt es für sprachliche Strategien?
Malcomess: Das Fragenstellen ist etwas, was auch Schüchterne schaffen. Eine andere Strategie, die gut funktioniert, ist das Umdefinieren. Wenn uns jemand vorwirft, wir wären zu langsam, dann hören wir erst einmal alles Negative, was in dem Begriff „langsam“ steckt, zum Beispiel die Faulheit. Aber in dem Begriff steckt natürlich auch „gründlich“, „sorgfältig“ und „überlegt“. Und dann kann ich darauf reagieren und sagen: „Wenn du unter langsam verstehst, dass ich gründlich arbeite, dann hast du recht!“
Was sind die Erfolgserlebnisse bei Ihrer Arbeit?
Malcomess: Erfolgserlebnisse habe ich viele, da diese Schlagfertigkeit wirklich erlernbar ist. Es gibt natürlich Situationen, die sind ziemlich überraschend, aber mindestens 80 Prozent aller Fälle wiederholen sich. In jedem Beruf, jeder Partnerschaft oder mit den Kindern gibt es spezielle Dinge, die immer wieder auftauchen. Auf diese Situationen können wir uns vorbereiten. Wenn ich diese Erkenntnis weitergebe, dann haben die Teilnehmer in meinen Kursen die Gelegenheit, daran zu arbeiten.
Was üben Sie zum Beispiel in Ihrem dreitägigen VHS-Kurs?
Malcomess: Wir haben etwa zehn verbale Strategien, die wir kurz besprechen und dann immer gleich üben. In dem Kursus werfen Sie sich in einem geschützten Rahmen die Dinge an den Kopf, vor denen Sie sonst erschrecken. Wir beschäftigen uns damit, wie wir mit Stress umgehen und ein inneres Schutzschild aufbauen können, um gar nicht erst in eine Schockstarre zu verfallen. Zudem beschäftigen wir uns viel mit Wortschatz und sprachlicher Kreativität, denn für das „Umdeuten“ braucht man auch erst einmal Vokabeln.