Was heißt argumentieren?
Behaupten und begründen sind Kern des Arguments
Argumentieren und überzeugen – eine Fähigkeit, die wir uns alle wünschen. Aber ist jedem klar, was ein Argument ist?
Von einem Argument sprechen wir, wenn jemand etwas behauptet und es begründet. Eine Behauptung allein macht noch kein Argument. Erst die Begründung macht die strittige These akzeptabel.
Argumentieren meint auch, im Gespräch eine Gegenbehauptung aufstellen und diese begründen.
Argumentiert wird auch, wenn wir keine Gegenthese aufstellen, sondern nur die Begründung des Gesprächspartners bezweifeln oder widerlegen.
Drei Menschen, drei Argumente
Hier ein kurzes Gespräch zwischen Anna, Ben und Caro.
Anna sagt: Der Sommer ist die schönste Zeit des Jahres. (Behauptung) Denn im Sommer sind die Tage am längsten. (Begründung)
Ben widerspricht: Seit der Erfindung des elektrischen Lichts spielt das Tageslicht doch keine Rolle mehr. (Begründung von Anna wird nicht akzeptiert.)
Caro behauptet: Nein, der Herbst ist die schönste Zeit des Jahres. (Gegenthese zu Anna) Denn nie ist die Natur so bunt wie im Herbst. (Begründung)
Die Logik hinter einem Argument
In den Worten der Logik bedeutet Argumentieren: Wir schließen oder wir ziehen einen Schluss.
Das geschieht, indem wir aus bestimmten Voraussetzungen (Im Sommer sind die Tage am längsten), eine Behauptung ableiten. (Der Sommer ist die schönste Zeit).
Formal ist der Schluss von Anna richtig. Denn es ist wahr, dass die Tage im Sommer am längsten sind.
Und doch sind die Gesprächspartner Ben und Caro keinesfalls überzeugt. Weshalb? Das liegt daran, dass Anna stillschweigend etwas voraussetzt, das für sie völlig selbstverständlich ist. Ben und Caro jedoch finden die Voraussetzung falsch. Welche ist das?
Stillschweigende Vorraussetzung
Explizit nennt Anna nur eine ihrer Voraussetzungen oder Prämissen, nämlich: Im Sommer sind die Tage am längsten.
Tatsächlich gibt es im Kopf von Anna noch eine unausgesprochene Voraussetzung. Und die lautet in etwa so: Je länger die Tage, desto schöner die Jahreszeit.
Die vollständige Argumentation von Anna lautet also:
Je länger die Tage, desto schöner die Jahreszeit. (Prämisse 1)
Im Sommer sind die Tage am längsten. (Prämisse 2)
Deshalb ist der Sommer die schönste Jahreszeit. (Behauptung)
Die Reaktion von Ben zeigt, dass Ben genau diese unausgesprochene Prämisse 1 nicht akzeptiert. Helligkeit, also lange Tage, sind für Ben keine Voraussetzung für die Qualität einer Jahreszeit. Schließlich gibt es ja elektrisches Licht.
Die Gegenthese von Caro (Herbst ist die schönste Jahreszeit) zeigt ebenfalls, dass lange Tage keine Voraussetzung sind für eine schöne Jahreszeit. Caro geht von ganz anderen Voraussetzungen aus.
Wie können Anna, Ben und Caro sich einigen?
Einigung zwischen den dreien kann es nur geben, wenn alle von den gleichen Voraussetzungen ausgehen. Ben und Caro müssten akzeptieren, dass je länger die Tage, desto schöner die Jahreszeit.
Anna muss in ihrer Überzeugungsarbeit genau dort ansetzen. Beispielsweise so:
Anna zeigt, dass die langen Tage für Ben und Caro etwas ermöglichen, das zu einer anderen Jahreszeit unmöglich ist. Zum Beispiel, nach der Arbeit noch bis 21 Uhr im Garten bei natürlichem Licht lesen. Am Feierabend ins Freibad gehen. Morgens um 6 Uhr im Garten frühstücken und Zeitung lesen.
Nur wenn diese Aktivitäten Ben und Caro außerordentlich wichtig sind, dann werden sie zustimmen, dass lange Tage das schönste sind, was eine Jahreszeit bieten kann.